Drei Fragen an...

Bertram Kawlath, VDMA-Vizepräsident und Geschäftsführender Gesellschafter, Schubert & Salzer GmbH

Bertram Kawlath

Das sind die wichtigsten Säulen einer erfolgreichen, europäischen Handelspolitik

Wie sähe aus Ihrer Sicht eine erfolgreiche, europäische Handelspolitik aus?

Bertram Kawlath:  Die wichtigsten Säulen einer erfolgreichen europäischen Handelspolitik sind für mich der Freihandel, Technologieoffenheit und Marktwirtschaft, europäische Resilienz sowie Einigkeit im Auftritt nach außen. Ohne Freihandel kann die Europäische Union keine erfolgreiche Industrie halten. Der Maschinenbau ist von Freihandelsabkommen ganz besonders abhängig: unsere Unternehmen sind in der Regel mittelständische, dennoch weltweit agierende Firmen. Je kleiner ein Betrieb ist, desto größer ist der Nutzen eines vereinfachten Exports. Hier wünsche ich mir von der EU wieder mehr Mut beim Abschluss schlanker Freihandelsabkommen. Wir verlieren sonst den Anschluss: der jüngst erfolgte Verlust des Titels „Exportweltmeister“ sollte uns wie auch der europäischen Politik zu denken geben. Freie Warenströme sichern unsere Existenz. Die Belastung internationaler Wertschöpfungsketten mit immer neuen, bürokratischen Ideen wie Lieferkettengesetzen, Nachhaltigkeitsgedanken oder Taxonomie ist nicht hilfreich. Abbau von Zöllen und die gegenseitige Anerkennung von Normen schaffen hingegen Wachstum und eine krisenfeste Industrie.

Technologieoffenheit und Marktwirtschaft: das klingt einfach, und ist doch so wichtig. Die Märkte, nicht die Politik, müssen richtige und zukunftsweisende Technologien hervorbringen. Das geht im Rahmen einer ordnungspolitisch sauberen sozialen Marktwirtschaft am effizientesten. Das gilt in der Klimapolitik ebenso wie bei der Findung neuer Antriebe. Handelspolitik sollte nicht als Vehikel missbraucht werden, politisch motivierte Technologievorgaben durchzusetzen. Die Politik soll und muss die Ziele vorgeben. Der Weg muss im Markt gefunden werden. Unser großartiger europäischer Markt bleibt in der Welt führend, wenn wir den positiven Kräften des Marktes technologieoffen vertrauen. 

Solches Vertrauen in freien Handel und freie Märkte setzt eine verbesserte europäische Fähigkeit zur Resilienz voraus. Freiheit funktioniert nur, wenn wir im internationalen Umgang auf einem Level Playing Field spielen. Im Umgang mit bewusst herbeigeführten Störungen von Wertschöpfungsketten, im Umgang mit unfairem Spiel tut sich Europa oft schwer. Ob einseitig Strafzölle verhängt werden, ob im Rahmen extraterritorialer Zwangsmaßnahmen Zahlungsströme oder Telekommunikation behindert werden oder ob gar Reise- oder Warenverkehr blockiert werden: Resilienz gegen solches handelspolitisches Foulspiel setzt die Existenz eines verbesserten europäischen Werkzeugkastens geeigneter Institutionen und Systeme voraus, um wirksam antworten zu können. Wir müssen in Europa noch besser lernen, in solchen Fragen nach außen in Einigkeit aufzutreten. 

Zwischen den USA und China muss die EU Ihre Stärken noch besser ausspielen. Freiheit der Menschen, freier Handel, freie soziale Marktwirtschaft und hervorragender Schutz geistigen Eigentums sind die Pfunde, mit denen unsere Handelspolitik wuchern muss. Auf Augenhöhe mit unseren Handelspartnern, in fairem Umgang, aber auch mit geradem Rücken und in Einigkeit. 

Mit China haben wir nicht nur einen technologischen Wettbewerber, sondern auch einen Systemwettbewerber. Wie müssen wir aus Sicht des Maschinenbaus diesem in Zukunft begegnen?

Ohne Angst, aber mit Respekt und auf Augenhöhe. China, das bedeutet immer Chance und Risiko. China ist einer unserer Hauptabsatzmärkte, gleichzeitig einer unserer Hauptwettbewerber im internationalen Markt. Mit seiner „Made in China 2025“-Strategie sucht die chinesische Regierung den Weg zu einer technologischen Vorherrschaft. Das ist zunächst einmal legitim, und ich würde mir für die EU manchmal auch mehr Rückbesinnung auf die Industrie wünschen. Nicht legitim ist, wenn diese Vorherrschaft mit Markteingriffen wie vorteilhaften Finanzierungsageboten oder eingeengtem Zugang zu Ausschreibungen umgesetzt werden soll. So entstehen Wettbewerbsverzerrungen, die insbesondere ausländisch investierte Unternehmen treffen. Chinas Anstrengungen zur Durchsetzung nationaler Normen sind ebenfalls kritisch zu sehen. 

Europa sollte hier bewusst nicht auf Protektionismus setzen. In einem fairen Wettbewerb werden China und Europa gewinnen. Marktwirtschaft und fairer, freier Handel sind auch hier die richtige Antwort. Zuerst einmal müssen wir unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit verbessern und schärfen. Da sehe ich EU-weit großen Handlungsbedarf. Auf staatliche – nicht marktwirtschaftliche – Markteingriffe Chinas darf die EU aber auch durch Schutz des EU-Binnenmarktes vor subventionierten Wettbewerbern reagieren. Auch sollte die EU stärker an der Öffnung der chinesischen Märkte für öffentliche Beschaffung arbeiten.

Vergessen wir dabei aber nicht, dass der deutsche Maschinenbau stark vom chinesischen Aufschwung profitiert. Diese Potenziale können, wollen und müssen wir weiter nutzen. Auf vielen Feldern hat die chinesische Industrie Nachholbedarf, etwa bei der Automatisierung. Auch in China werden wir die Effekte der Demographie spüren. Der deutsche Maschinenbau bietet äußerst wettbewerbsfähige Lösungen für diese chinesischen Herausforderungen. Hier liegt für uns nach wie vor eine große Chance. Wollen wir diese Chance nutzen, muss dafür Sorge getragen werden, dass die strukturellen Marktverzerrungen im chinesischen Markt reduziert werden, bestenfalls beseitigt werden. Den chinesischen Autarkiebemühungen dürfen wir mit selbstbewussten handelspolitischen Mitteln begegnen. Eine starke, selbstbewusste EU, mit ihrem ebenfalls sehr attraktiven Binnenmarkt kann und muss dieses Ziel erreichen. 

Am Ende bleibt jedoch für uns die wichtigste Herausforderung, in unseren mittelständischen Betrieben weiterhin Spitzentechnologie zu entwickeln und zu vertreiben. Hierfür gute Rahmenbedingen zu schaffen, an unseren Standorten, die EU und Deutschland wettbewerbsfähig zu halten, das ist für mich die beste Strategie, um langfristig gegenüber China zu bestehen. China und die EU: das bedeutet immer Partner und Wettbewerber gleichzeitig. Das macht unsere Beziehung so schwierig, aber auch so spannend und fruchtbar zugleich.

Was ist das Erfolgsrezept für den Maschinenbau, um auch künftig eine weltweit technologisch führende Rolle zu spielen?

Der Maschinenbau muss junge Menschen begeistern: für unsere Technologien, für unsere Forschung, für unsere Internationalität. Junge Frauen und Männer gleichermaßen. Dazu benötigen wir als mittelständische Branche gute, modernisierte Bildungseinrichtungen auch in der Fläche. Motivierte und gut ausgebildete Menschen sind unser wichtigstes Erfolgsrezept. Digitalisierte und gut ausgestattete Schulen, Berufsschulen und Universitäten sind die notwendige Grundlage.

Wir müssen Gründergeist und Unternehmertum wieder stärker fördern und ermöglichen. Bürokratie abbauen und die Kapitalversorgung für Start-Ups erleichtern. Auch ein positiveres Unternehmerbild würde für ein innovativeres Klima sorgen. Mit einer Idee den Sprung von der Universität in eine Unternehmensgründung zu schaffen: das ist oft woanders 
leichter. Die Verbindung etablierter mittelständischer Maschinenbauer mit innovativen Start-ups kann hier positiv wirken. Auch für etablierte Unternehmen sollte Innovation weiter erleichtert werden. Der ständigen Forderung, der industrielle Mittelstand solle sich endlich digitalisieren, steht oft die schlechte Akzeptanz solcher digitalen Investitionen als Besicherung bei den Banken gegenüber. Auch die drohende Flut neuer Berichtspflichten, sei es zu Menschenrechten in der Lieferkette, sei es zur EU-Nachhaltigkeitspolitik, sind nicht gerade Innovations- und Wachstumstreiber.

Gute Industriepolitik ist Wohlstandspolitik. Ein erfolgreicher Klimawandel ist nur mit der Industrie, nicht gegen sie möglich. Wir als Maschinenbauer sind Enabler für neue, klimafreundliche Technologien. Diese entstehen in Technologieoffenheit und freien Märkten am schnellsten und am effizientesten. Und unsere Technologien müssen auch in Zukunft weltweite Anwendungen finden und in internationalen, effizienten Lieferketten entstehen. Die neue Lust am Protektionismus, die unselige Hoffnung, qua Gesetzgebung wieder alles im eigenen Land zu fertigen: das wäre die Axt an der Wurzel unseres Wohlstandes. 

Freier Handel, innovative und gut vernetzte Mittelständler, Technologieoffenheit, internationale Lieferketten und weltweiter Absatz unserer Produkte: hier liegen die Geheimnisse unseres Erfolgs. Wer diese Punkte stärkt, der fördert und erhält unsere internationale Spitzenposition. Jede Entwicklung, die diese Erfolgsfaktoren einengt, gefährdet uns akut. Insbesondere die Förderung des Freihandels liegt mir ganz besonders am Herzen. In keiner anderen Branche sind kleine und mittlere Unternehmen so erfolgreich international aktiv. Wenn wir diese wenigen, aber unbedingt notwendigen Kernthemen fördern und beherzigen, dann ist für mich die erfolgreiche Zukunft des deutschen Maschinenbaus gesichert.
 

Herr Kawlath, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Claus Wilk, Chefredakteur der Fachzeitung Produktion