Drei Fragen an...

Rainer Hundsdörfer, CEO Heidelberger Druckmaschinen

Rainer Hundsdoerfer

So sieht der Königsweg der Produktentwicklung aus

Was ist der Königsweg Heidelbergers bei der Produktentwicklung: MVPs oder typisches German Engineering, also komplett bis zum Ende durchdachte Maschinen?

Rainer Hundsdörfer: Unser Königsweg vereint beide Ansätze. Generell definieren wir unsere Entwicklungs- bzw. Weiterentwicklungsprojekte über unseren Strategieprozess und zwar mit einem konsequenten Fokus auf den Markt- bzw. Kundenanforderungen. D.h. wir analysieren den Markt sehr genau, definieren daraufhin die Anforderungen, beurteilen die Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf Kunde und Heidelberg, qualifizieren das Projekt bei uns im Hause und im Anschluss zusammen mit Kunden bis das Produkt schließlich die Serienreife erreicht hat. Viele Kunden schätzen gerade und vertrauen auf diesen sorgfältigen Entwicklungsprozess. Unsere soeben auf der China Print in den Markt eingeführte neue Speedmaster CX 104 haben wir beispielsweise nach diesem Prinzip entwickelt.

Bei kundenindividuellen Lösungen gehen wir in der Entwicklung oft nach dem MVP Ansatz vor. Dann skizzieren wir zusammen mit dem Kunden das Entwicklungsziel und den Projektumfang des MVP. So lässt sich die time to market verkürzen und der einzelne Kunde intensiv in den Entwicklungsprozess integrieren. Zudem lässt sich das Produkt, auch wenn es schon im produktiven Einsatz ist, gemeinsam weiterentwickeln.

Im Bereich der Workflow Entwicklung und der Weiterentwicklung unserer Push to Stop Philosophie können wir ebenfalls nach dem MVP Ansatz vorgehen, da wir hier nicht so sehr an die Hardware gebunden sind. Unter Push-to-Stop verstehen wir, dass bei entsprechend automatisierten Maschinen die Optimierung der Produktionsreihenfolge und die Abarbeitung der Aufträge automatisch erfolgt und der Bediener nur noch dann in den Druckprozess eingreifen muss, wenn ein Problem auftritt. 
Bei unserem Prinect Workflow stellen wir Kunden die neuesten Funktionen über die Cloud zur Verfügung und der Kunde bezahlt nur für die Funktionen, die er tatsächlich benötigt.

Inwieweit wird ihre Produktentwicklung von den unterschiedlichen Reifegraden in einzelnen Ländermärkten beeinflusst?

Die Wahl der Entwicklungsmethode hängt stark von den gerade beschriebenen Aspekten und weniger von der Situation in einzelnen Märkten ab. Die Anforderungen bzgl. Vereinfachung der Bedienung und der Automatisierung sind weltweit vergleichbar. Aber die Anforderungen unterscheiden sich in den von uns adressierten Marktsegmenten, weshalb wir verstärkt auf die freie Skalierbarkeit unserer Produkte setzen. So decken wir mit der gerade schon erwähnten Speedmaster CX 104 ein breites Spektrum ab. Einerseits bauen wir damit unsere starke Position im wachsenden Verpackungssegment weiter aus, andererseits tragen wir dem steigenden Bedarf an flexiblen Drucksystemen mit unterschiedlichen Automatisierungslösungen und -varianten im Akzidenzbereich Rechnung.

Wie macht sich der Einfluss der Digitalisierung bei Ihren Services bemerkbar?

Das Thema Digitalisierung spielen und treiben wir auf den unterschiedlichsten Ebenen voran. In den Lösungen für unsere Kunden durch die Weiterentwicklung des Push-to-Stop Konzeptes bis hin zur komplett automatisierten digitalisierten und autonomen end-to-end Produktion von der Eingabe der Daten bis zum fertig produzierten und versandten Druckprodukt. Die Digitalisierung macht unsere Maschinen und Lösungen immer intelligenter. Viele Assistenzsystem nutzen bereits künstliche Intelligenz. Über 13.000 Equipment- und über 20.000 Softwaresysteme sind über das Internet permanent mit unserem Servicenetzwerk verbunden. Dieser einzigartige Datenschatz hilft, unser Angebot permanent mit Fokus auf der Kundenperformance auszubauen und zu verbessern. Mehr und mehr Kunden entscheiden sich daher für eines unserer datenbasierten Vertragsangebote, die sogenannten Print Site Contracts, mit denen es ihnen gelingt, ihre Gesamteffizienz zu steigern und so die Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu erhöhen.
 

Herr Hundsdörfer, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Claus Wilk, Chefredakteur der Fachzeitung Produktion